Die Rolle von Tschernobyl in der heutigen ukrainischen Kultur und Identität

Die Rolle von Tschernobyl in der heutigen ukrainischen Kultur und Identität

Am 26. April 1986 ereignete sich im Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine eine Nuklearkatastrophe, die als der schwerste Unfall in der Geschichte der zivilen Nutzung der Atomenergie gilt. Die Explosion des Reaktors und der anschließende Brand führten zur Freisetzung großer Mengen radioaktiver Stoffe, die sich über weite Teile Europas verteilten. Die unmittelbare Umgebung des Kraftwerks wurde so stark radioaktiv verseucht, dass die gemessenen Strahlenwerte die durchschnittliche jährliche natürliche Strahlendosis um das bis zu 3.000fache überstiegen¹¹.

Langzeitfolgen für die Bevölkerung

Die Folgen für die Bevölkerung sind bis heute spürbar. Erhebliche Strahlenbelastungen der Bevölkerung wurden vor allem in Gebieten des heutigen Russlands, Weißrusslands und der Ukraine verzeichnet. Die dadurch verursachten gesundheitlichen Folgen werden bis heute untersucht10. Eine aktuelle Forschungsarbeit zeigt nun auf, dass die tatsächlichen Folgekosten der Katastrophe weit darüber hinausgehen: Das Reaktorunglück von Tschernobyl verursachte über nunmehr drei Jahrzehnte hinweg für weite Teile der ukrainischen Bevölkerung eine verringerte Lebenszufriedenheit und eine schlechtere mentale Gesundheit⁹.

Psychische Langzeitfolgen

Erstaunlicherweise trifft dies auch auf die breite Masse der Bevölkerung zu, die lediglich von niedrigen Strahlenwerten betroffen waren, die in der Medizin als gesundheitlich unbedenklich gelten. Ursächlich für die negativen psychischen Langzeitfolgen sind daher höchstwahrscheinlich nicht die erhöhten Strahlenwerte, sondern die Verunsicherung und Ängste über zukünftige Erkrankungen, die sich auch in pessimistischeren Einschätzungen der Lebenserwartung widerspiegeln⁹.

Finanzielle Langzeitfolgen

Werden diese psychischen Effekte in finanzielle Gegenwerte umgerechnet, beläuft sich der aggregierte jährliche Wohlfahrtsverlust der faktisch nicht direkt betroffenen ukrainischen Bevölkerung auf 2–6% des BIP. Hinzu kommt, dass sich ein Teil der betroffenen Erwerbsbevölkerung stärker auf staatliche Unterstützung verlässt und finanzielle Geldleistungen in Höhe von 0,5–0,6% des Bruttoinlandsprodukts bezieht. Diese Ergebnisse weisen auf hohe zusätzliche externe Kosten der Katastrophe hin, die in bisherigen Betrachtungen unberücksichtigt blieben⁹.

Neue Radioaktivitätskarten

Anlässlich des 3Jahrestags der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am 26. April hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erste Ergebnisse einer radiologischen Neukartierung der dortigen Sperrzone veröffentlicht. Die zugrunde liegenden Radioaktivitätsmessungen hatte das BfS auf Einladung der Staatlichen Agentur der Ukraine zur Verwaltung der Sperrzone bereits im September 2021 in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei und ukrainischen Partnerorganisationen durchgeführt¹².

Aktuelle radiologische Situation

Zwei Übersichtskarten zeigen die Cäsium-137-Belastung der Böden und die Gamma-Ortsdosisleistung innerhalb der Sperrzone. Die Ortsdosisleistung gibt an, wie viel Strahlung von außen auf einen Menschen einwirkt. Erhöhte Ortsdosisleistungswerte in der Sperrzone gehen heute fast ausschließlich auf Cäsium-137 zurück, das eine Halbwertszeit von 30 Jahren hat. Kurzlebigere radioaktive Stoffe wie Jod-131 sind bereits seit Jahren nicht mehr nachzuweisen¹². In den Karten zeichnen sich 36 Jahre nach dem Reaktor-Unfall noch deutlich die beiden Haupt-Ausbreitungsrichtungen der 1986 aus dem Reaktor freigesetzten Stoffe nach Norden und Westen ab. Die Karten und die zugehörigen Messdaten bieten einen umfassenden Überblick über die aktuelle radiologische Situation in der Sperrzone¹².

Internationale Zusammenarbeit im Strahlenschutz

Die Bedeutung einer engen internationalen Zusammenarbeit im Strahlenschutz wird durch die Veröffentlichung dieser Messdaten unterstrichen. Die gemeinsame wissenschaftliche Arbeit ist in dieser schwierigen Zeit wichtiger denn je: Sie zeigt Perspektiven für die Zeit des Wiederaufbaus in der Ukraine auf und kann schon jetzt bei der Beantwortung praktischer Fragen des Strahlenschutzes unterstützen¹². Insgesamt zeigt sich, dass die Radioaktivität in der Region Tschernobyl auch heute noch Auswirkungen auf die Menschen hat, sowohl in Bezug auf ihre Gesundheit als auch auf ihre finanzielle Situation. Die internationale Zusammenarbeit im Strahlenschutz spielt eine wichtige Rolle bei der Bewältigung dieser Herausforderungen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation in Zukunft entwickeln wird.

Quellen: Unterhaltung mit Bing, 6.8.2023
(1) Nuklearkatastrophe von Tschernobyl – Wikipedia.
https://de.wikipedia.org/wiki/Nuklearkatastrophe_von_Tschernobyl.
(2) BfS – Tschernobyl – Bundesamt für Strahlenschutz.
https://www.bfs.de/DE/themen/ion/notfallschutz/notfall/tschernobyl/tschernobyl_node.html.
(3) Analyse: Die psychischen Langzeitfolgen der Nuklearkatastrophe von ….
https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/227103/analyse-die-psychischen-langzeitfolgen-der-nuklearkatastrophe-von-tschernobyl/.
(4) 36 Jahre Tschernobyl: BfS veröffentlicht neue Radioaktivitätskarten.
https://www.bfs.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/BfS/DE/2022/006.html.
(5) Radioaktivität im Alltag – quarks.de.
https://www.quarks.de/gesundheit/radioaktive-strahlung-im-alltag/.
(6) Radioaktivität in der Umwelt | Greenpeace.
https://www.greenpeace.de/klimaschutz/energiewende/atomausstieg/radioaktivitaet-umwelt.
(7) BfS – Radioaktivität in der Umwelt – Bundesamt für Strahlenschutz.
https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/umwelt_node.html.
(8) BfS – Tschernobyl – Umweltkontaminationen und weitere Folgen des ….
https://www.bfs.de/DE/themen/ion/notfallschutz/notfall/tschernobyl/umweltfolgen.html.
(9) BfS – Tschernobyl – Gesundheitliche Folgen des Unfalls von Tschernobyl ….
https://www.bfs.de/DE/themen/ion/notfallschutz/notfall/tschernobyl/gesundheitsfolgen-sowjetunion.html.
(10) Folgen von Tschernobyl | Greenpeace.
https://www.greenpeace.de/klimaschutz/energiewende/atomausstieg/tschernobyl-folgen-super-gau.
(11) Tschernobyl – 30 Jahre danach – Bundesamt für Gesundheit BAG.
https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesund-leben/umwelt-und-gesundheit/strahlung-radioaktivitaet-schall/radiologische-ereignisse-notfallvorsorge/freisetzung-von-radioaktivitaet/tschernobyl.html.
(12) Tschernobyl und die Folgen – BMUV.
https://www.bmuv.de/themen/nukleare-sicherheit-strahlenschutz/nukleare-sicherheit/tschernobyl-und-die-folgen.
(13) Neue Strahlenwerte aus Tschernobyl veröffentlicht – Forschung und Wissen.
https://www.forschung-und-wissen.de/nachrichten/umwelt/neue-strahlenwerte-aus-tschernobyl-veroeffentlicht-13376166.
(14) Statistiken zur Atomkatastrophe von Tschernobyl | Statista.
https://de.statista.com/themen/2853/tschernobyl/.